“Gregs Tagebuch”: US-Kinderbuchautor Jeff Kinney über sein Erfolgsrezept
Auch mit fast 50 ist noch nicht Schluss: Kinderbuchautor Jeff Kinney hat Anfang November das 14. Buch seiner Reihe "Gregs Tagebücher" veröffentlicht.
Quelle: Magdalena Tröndle/dpa
Der US-Autor Jeff Kinney hat mit Gregs Tagebüchern eine der erfolgreichsten Kinderbuchreihen dieser Tage geschaffen. Und das, obwohl er nie Kinderbücher im Sinn hatte und sein Held auch noch ziemlich uncool ist.
Hamburg. Wie erfolgreich Jeff Kinney mit Gregs Tagebüchern ist, deutet schon die Location für das Interview an – das Hamburger Edelhotel “Vier Jahreszeiten”, ein großer Raum mit bequemen Sesseln, Kronleuchtern, Holzboden. Am Morgen hat der US-Autor bereits im Zoo Autogramme gegeben, am Abend folgt eine Lesung. Auch hier erinnert der Andrang mehr an einen “Promi-Auftritt” als eine Kinderbuchlesung. In Deutschland ist Kinney gerade auf Werbetour für sein neues, inzwischen 14. Buch. Anfang November erschienen trägt es den verheißungsvollen Titel “Voll daneben”.
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“Gregs Tagebuch”: Geschichten von einem ziemlich normalen 12-Jährigen
Das Konzept ist das gleiche wie bei den 13 vorangegangenen Tagebüchern: Es geht um den “täglichen Überlebenskampf” – O-Ton Klappentext – von Greg Heffley, abwechselnd erzählt in Text und Comic mit Eierkopf-Strichmännchen. Es sind Episodensammlungen aus dem Leben eines ziemlich normalen Heranwachsenden. In der Schule ist der 12-Jährige weder ein Überflieger noch sonderlich beliebt. Die Eltern nerven genauso wie seine beiden Brüder. Zusammengehalten wird die Geschichte von einer thematischen Klammer. In Band 14 erbt die Familie viel Geld und renoviert ihr Haus. Wie immer stürzt dieses Vorhaben alle Beteiligten ins Chaos aus morschen Böden, Schimmel und Handwerkerpannen.
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Manch ein Literaturkritiker mag den kindlichen Humor und die Vorhersehbarkeit als banal abtun. Aber ein solches Urteil wäre herablassend. Immerhin versteht es Kinney wie kaum ein anderer Kinderbuchautor, selbst sonst nicht lesende Kinder und Jugendliche zu fesseln und ihnen eine Identifikationsfigur zu liefern, die zwischen einem Buchdeckel nicht auf Youtube oder TikTok stattfindet.
"Greg ist eher ein Kind wie ich früher": Kinney hat sich für die Geschichten in Gregs Tagebüchern an seinen Kindheitserinnerungen bedient.
Quelle: Magdalena Tröndle/dpa
Weder Held noch Samariter: Gregs Normalität ist ein Erfolgsrezept
Gregs besondere Stärke, vielleicht das große Erfolgsgeheimnis der Reihe, ist seine Normalität. Er ist kein Held wie Harry Potter, rettet nicht die Welt oder tut nicht immer das Richtige. Ganz im Gegenteil: Er ist schlecht in der Schule, verdaddelt seine Zeit mit Videospielen, ist unbeliebt und hält sich trotzdem für den Größten. “Helden sind mir oft zu langweilig. Greg ist eher ein Kind wie ich früher”, erklärt Kinney. Auch für die Brüder und Eltern gibt es reale Vorbilder aus der eigenen Familie. Ihre Charaktereigenschaften hat der Autor in künstlerischer Freiheit fast schon grotesk überzeichnet und verfremdet. Dazu kommt das befreiende Fehlen jeglicher moralischen Botschaft. Es gibt keinen Appell an die Vielfalt, an die Toleranz oder Freundschaft, sondern “nur” Beobachtungen zu den Irrungen und Wirrungen des Heranwachsens, so grotesk und so witzig, dass nicht nur junge Leser darüber lachen können.
Aus einem Buch für Erwachsene wurde ein Kindercartoon
Vielleicht liegt das auch daran, dass Kinney ursprünglich nie Kinderbuchautor werden wollte. Zu Collegezeiten war es sein Traum, Cartoons für große Zeitungen zu zeichnen. An der Uni waren seine Ideen immerhin so beliebt, dass sie die Campuszeitung regelmäßig druckte. Von echten Verlagen kamen dagegen nur Absagen. Kinney wechselte in die Gaming-Branche und zeichnete nur noch privat Comics. Dabei entstand auch die Idee, seine eigenen Kindheitserinnerungen in einem gezeichneten Tagebuch niederzuschreiben. Nach acht Jahren kreativen Schaffens zeigte er seine Ideen endlich einem New Yorker Verlag. Die Kindheitsretrospektive kam gut an, nicht aber die vom ihm angepeilte Zielgruppe. Eigentlich hatte Kinney nämlich ein Buch für Erwachsene geplant. Zum Glück ließ er sich vom Verleger überreden, doch ein Kinderbuch daraus zu machen.
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Erfolgreiche Kinderbücher sind keine Frage des Alters
Der Rest ist Geschichte. 2007 erschien der erste Band von Gregs Tagebuch in Amerika, 13 weitere folgten bis heute. Mit über 200 Millionen verkauften Exemplaren gehört die Kinderbuchreihe zu den erfolgreichsten der Welt. Sie wurde in 59 Sprachen übersetzt. Ein Ende des Erfolgs ist noch nicht absehbar: Ein paar Bücher wolle er noch zeichnen, verrät Kinney im Interview. Auch an Ideen mangele es ihm nicht. Dass der US-Amerikaner inzwischen selbst stark auf die 50 zugeht und die grauen Haare ihm ein wenig seines jugendlichen Charmes rauben, tut seinem Erfolg keinen Abbruch.
Jeff Kinney: Auch mit 50 ist noch nicht Schluss
Auch Sorgen, den Anschluss an die Leserschaft zu verlieren, hat er nicht. “Bei meinem ersten Buch war ich 28 Jahre alt und meine eigene Kindheit viel präsenter. Zum Glück kenne ich inzwischen Greg sehr gut und weiß, was die Leserschaft an ihm schätzt”, sagt er. Dieses Wissen sei viel wichtiger als sein Alter. Und überhaupt hätten sich die grundlegenden Themen von Kindheit nicht geändert. Klar, wächst man heute digitaler auf, aber trotzdem gibt es noch Streit mit den Geschwistern, gibt es Freundschaften, blöde Hausaufgaben oder Haustiere.
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Und über diese vorpubertäre Lebenswelt – überhöht ins Absurde – lässt sich vortrefflich lachen. Zu dieser Haltung passt, dass Kinney bis heute zuerst die Witze für seine Bücher schreibt – 350 Stück braucht ein gutes Tagebuch – und sich erst danach die eigentliche Geschichte ausdenkt. Und dafür ist auch heute noch das eigene Leben das beste Vorbild. Wie Gregs Familie bauen auch die Kinneys gerade ihr Haus in Plainville, Massachusetts, um – mit Glück und Unterstützung von echten Handwerkern und deutlich weniger Pannen und kleinen Katastrophen.